Mittwoch, 3. Dezember 2008

"Die Leute in Ghana haben zu viel Zeit für Politik."


Am 7. Dezember wird gewählt in Ghana. Das Land gilt als eines der stabilsten und friedlichsten auf dem afrikanischen Kontinent. Doch wie plötzlich sich das ändern kann, zeigten die Ausschreitungen Ende des letzten und Anfang diesen Jahres in Kenia. Was also könnte gewalttätige Auseinandersetzungen in Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen in Ghana verursachen?

Kwame hält die Oktober Ausgabe des BBC Magazins Focus on Africa in den Händen. Die Einleitung des Artikels, den er aufgeschlagen hat, spricht davon, dass sich die GhanaerInnen im Vorfeld der kommenden Wahlen nicht so wohl fühlen, wie es sonst der Fall gewesen sei. „Was meinst du, wird es ruhig bleiben?“ Frage ich ihn. „Ich denke schon. Aber vielleicht auch nicht. Die Leute in Ghana haben zu viel Zeit für Politik. So viele Leute sind arbeitslos. Sie haben nichts zu tun. Wahlkampf ist Abwechslung. Eine Wahlniederlage ein Zeichen deines persönlichen Versagens.“
Und wer will schon zugeben versagt zu haben? Ist es nicht einfacher die Anderen, die Rivalen, die Betrüger verantwortlich zu machen?
Von 22,4 Millionen EinwohnerInnen sind nach unterschiedlichen Angaben 20 oder 30% arbeitslos. Doch was soll sich unter 30% Arbeitslosigkeit vorgestellt werden, wenn 75% von weniger als 2 Dollar am Tag leben? Heißt nur arbeitslos sein, arm zu sein? Heißt Arbeit haben, Geld übrig zu haben? Und was bedeutet etwas zu tun haben, was heißt eine Lebensaufgabe haben, sich in der Freizeit zu vergnügen, wenn es neben Arbeit, neben Lebenserhalt keine Kinos, keine öffentlichen Schwimmbäder mit erschwinglichen Eintrittspreisen, keine gepflegten Parks und Strände gibt, kein Geld da ist für eine Vereinsmitgliedschaft, für Ausflüge, für Konzerte oder Theater.
Auf Wahlkampfveranstaltungen gibt es reichlich zu essen, eine Partei hat immer Aufgaben für dich und der Präsidentschaftskandidat ist der Mann, der dir verspricht, dass durch ihn eine bessere Zukunft anbricht. Parteien haben in Ghana wenig konkrete Programme. Sie haben Personen an ihrer Spitze und eine Anhängerschaft, die Zeit und ein persönliches Bedürfnis hat, sich inbrünstig für sie einzusetzen.
Wahlkampf als Freizeitbeschäftigung oder gar Lebensaufgabe ist nur ein Aspekt weswegen, die Zeit um die Wahlen eine Zeit der Anspannung ist.

Ein Dozent der University of Ghana in Legon meint, Politik und Wahlkampf in Ghana seien hochgradig perso-
nalisiert.
Eine Wahlniederlage bedeute nicht, dass die Bewerbung um ein Amt fehlgeschlagen sei, sondern eine Person und das, wofür sie stehe, abgelehnt werde. Es sollte nicht heißen, dass die Demokratie in Ghana nicht funktioniere, sondern vielmehr, dass sich die Akzeptanz einer legalen Herrschaft noch nicht etabliert habe, meint der Soziologiedozent.
Er meint mit legaler Herrschaft, eine Herrschaftsform, die sich auf eine gesetzmäßige Ordnung stützt und bezieht sich damit auf die Herrschaftstypologie von Max Weber (legal meint hier: auf einem schriftliches Gesetz beruhend, von dem lat. Wort lex für Gesetz; legal meint hier nciht legitimiert).
Im Gegensatz zur legalen Herrschaft beruft sich die traditionale Herrschaft nach Weber auf das Verfahren, „wie es schon immer war“. Eine solche Regierungsform, wie sie „seit jeher besteht“ liegt in Ghana in Form der Chieftancy vor (der Gemeindevorsitz, der sich innerhalb einer ethnischen Gruppe aus einer bestimmten Familie rekrutiert). Chiefs beziehen ihre Autorität aus der von allen akzeptierten Tradition, dass diese Personen die Gemeinde vertreten und leiten. Diese Tradition, die Akzeptanz der Herrschaft und der Autorität der Worte des Chiefs, zu der es für seine Gemeinden zu der Zeit seines Vorsitzes keine Alternative gibt, wird von Generation zu Generation weitergegeben.
In Ghana treffen verschiedene Formen der Herrschaft und ihrer Legitimation aufeinander, konkurrieren und vermischen sich.
Unter zwei Aspekten, darf die Bewerbung um das Amt des Präsidenten also deshalb aus Sicht vieler AnhängerInnen nicht scheitern: Zum einen sahen die UnterstützerInnen ihre persönliche Aufgabe darin, diesem Menschen zur Präsidentschaft zu bringen. Zum anderen kann, wird die Situation nach dem weberianischen Modell interpretiert, nur die Herrschaft dieser einen ganz bestimmten Person legitimiert werden – und keiner anderen.
Dass nach diesem Verständnis die Einordnung in ethnische Gruppen der Präsidentschaftskandidaten und ihrer AnhängerInnen zum Tragen kommt, liegt auf der Hand.
Nicht nur die Werte der Demokratie, sondern ebenso die Loyalität gegenüber der Verfassung statt der uneingeschränkten Ergebenheit an eine Person muss vermittelt werden.
Gerade die Schule spielt hierbei eine zentrale Rolle. Doch eine AnalphabetInnenrate der über 14 jährigen Personen von etwa 22% lässt Rückschlüsse darauf zu, dass in Ghana keine Garantie auf einen Zugang zu qualitativ hochwertige Ausbildung gewährleistet ist. Die Vorstellungen über Gestaltung und Legitimierung von Herrschaftssystemen werden also maßgeblich von Älteren an Jüngere weitergegeben. Veränderungen, die Etablierung einer Erneuerung wird so massiv erschwert.
Eine Loslösung vom Personenzentralismus und somit von der Rolle der Ethnizität für die Wahlentscheidung, würden differenzierte Programme, die Behandlung von konkreten Fragen im politischen Diskurs ermöglichen.

Doch so lange die Menschen keine Gelegenheit haben, durch mehr direkte Demokratie sach- und themenbezogene Entscheidungen zu treffen, bleiben als Entscheidungskriterien die ethnische Zuordnung und das Charisma einer Person. So lange Personen statt Programme gewählt werden, bleibt die Ergebenheit, bleibt der Anspruch der Unfehlbarkeit, die, wenn nötig, mit Gewalt verteidigt wird.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Dies ist nicht das Ende, nein!

Lass dies viel mehr ein Anfang sein!


http://www.fotocommunity.de/pc/pc/mypics/24042

Unter diesem Link könnt ihr die von Christian aufgenommenen und nun bearbeiteten Bilder sehen.

Die Diskussionen über das, was wir berichteten, haben gerade erst begonnen - hier daheim, mit unseren FreundInnen und Familien. Wir möchten alle einladen, daran teilzunehmen.
Unsere erste Diskussion in einem etwas größerem Umfang fand am Sonntag, den 30. November im Stadtjugendring Göttingen mit einer Gruppe unserer FreundInnen und Bekannten statt.
hierfür hatten wir eine etwa ein-stündige Präsentation entwickelt, die in nächster Zeit vielleicht noch etwas häufiger zum Einsatz kommen wird.
So langsam laufen auch die ersten Projekte an, in denen wir uns mit unseren Eindrücken und Auffassungen einbringen können.