Donnerstag, 25. September 2008

In the gutter

An den Straßenrändern, zwischen Fahrbahn und Hauswänden sind etwa 50 cm tief Gräben ausgehoben. Manchmal, an einigen wenigen Stellen sind diese Gräben mit Steinplatten überdeckt, die das übersteigen erleichtern. In diesen Gräben, die gutter, fließt manchmal etwas dunkles Wasser, meistens ist es Schlamm, eine Mischung aus Abwasser und Fäkalien, Speisereste schwimmen zwischen Plastiktüten, Laub, Drähten, Stoffresten und was sonst noch so im Allgemeinen Müll genannt wird und wir uns nicht genau betrachten wollten. Manchmal stehen Männer davor, hocken Frauen darüber und steigen Kinder hinab, um in die gutter zu urinieren. Wenn es regnet, stiegt der Schlammspiegel, regnet es heftig, quillt es an manchen Stellen über, dann - vielleicht auch sonst und wir merken es nur gar nicht mehr - dann auf jeden Fall intensiver, stinkt es nach Kot, Urin, Schimmel, Verwesung...
Wir sahen einen Mann, der eine Angel in das gutter hielt, ein Kind, das etwas zum Spielen herausfischte, Leute, die mit Schaufeln, Stöcken oder den Händen die gröbsten Verstopfungen beseitigen, den Unrat heraus heben und in Schubkarren oder auf dem Fahrrad wegtransportieren (wenn sie es nicht einfach am Straßenrand liegen lassen) ins nächste Gestrüpp, in ein Waldstückchen, hinter eine Mauer oder einen großen Stein, wo der Müll sich sammelt und türmt, gammelt und stinkt, verbrannt wird, das Regenwasser färbt, Stadtteile mit süßlich beißendem Geruch überzieht.
Es gibt Schilder an den Straßen und auf Verpackungen, auf denen die Aufforderung steht "Keep your city clean!" und eine Strichfigur ist zu sehen, die etwas in einen Eimer wirft. Plakate drohen mit Geldstrafen, wenn Müll auf die Straße geworfen wird und NGOs entwickeln Kampanien zur Aufklärung über de Umweltschutz (z.B. "Friends of the earth, Ghana").
Alle beklagen Dreck und Gestank, es gibt kaum Müllbehälter oder es fehlt ihnen der Boden, die Leute sind peinlich berührt bis leicht aggressiv, wenn Christian versucht eine Müllverbrennung zu fotografieren.
Zwei US Soziologie Professoren kommen in einer Studie zu dem Schluss, dass "Umweltbewusstsein (...) weder von Reichtum (abhänge) noch von besonderen Wertvorstellungen, die dieser hervorruft." (DIE ZEIT vom 09. August 2008)
Und doch schmeißen die Leute Plastik aus dem Trotro- oder Taxifenster, lasse Verpackungen auf die Straße fallen, bei jedem Einkauf gibt es ein, zwei, drei Plastiktüten gratis.
Im Gespräch klagen die Leute, es wird deutlich, dass sie sich der Problematik durchaus Bewusst sind. Und doch scheint es, wie so oft, an der Überzeugung zu mangeln, selbst etwas ändern zu können, als Einzelperson mit Verantwortung zu tragen.
Die Plastikwahnsinn, die Müllflut scheinen eine Eigendynamik zu entwickeln, niemand weiß mehr so genau, wie es anfing und warum, aber jetzt ist’s halt so und wie es ist, so lassen es alle, weil es einfacher scheint, bequemer, es ist anders nicht mehr vorstellbar.
Aber es gibt etwas, das zeigt ein hochaufgelöstes Bild davon, wie eine Stadt ohne dieses stinkende Müllchaos aussehen kann:
Der Fernseher im Goethe Institut zum Beispiel. Da läuft eines Morgens eine Reportage auf Deutsche Welle-TV über das unterirdische Kanalsystem von Dresden. Die Männer, die dort arbeiten stecken in Ganzkörpergummihüllen, tragen kniehohe Stiefel, superdicke Handschuhe und Helme, benutzen Zangen, schippern mit einem Schlauchboot durch die Kanäle und sprechen von den Herausforderungen an Flexibilität und Kreativität "hier unten". Sie wissen, sie tun einen wichtigen Job für die Menschen in der Stadt über ihnen - und die merken davon nichts. Dort oben ist nichts zu sehen und nichts zu riechen von Dreck und Scheiße.
Neben mir sitzt einer der Schüler, einer der im Goethe Institut für sein Visum Deutsch paukt. Er sieht auf den Fernseher, verzieht keine Miene. Ich betrachte seine und meine Füße, die in Flipflops stecken und denke: Ich kann nur hoffen, das es bloß Staub und Sand ist, was unsere Füße mit einer klebrigen dunklen Schicht Tag für Tag überzieht nach ein paar Schritten auf Accras Straßen.
Später am Tag unterhalte ich mich mit Henry. "Die einen", sagt Henry, "haben immer das Bild von Ghana im Kopf, immer, die ganze Zeit während sie in Europa sind. Du kannst sie beschimpfen, schlagen und bespucken - sie sagen nichts! Sie denken an zu Hause, denken an die, für die sie das über sich ergehen lassen, rechnen sich aus, wie lang sie brauchen, um so und so viel Geld zu verdienen. Sie bleiben nur so lange wie nötig. Und dann zurück! Zurück nach Hause, wo sie etwas dafür tun wollen, dass es schöner wird, als das Bild in ihrem Kopf.
Die anderen fliehen vor de Dreck hier, vor ihrer eigenen Kriminalität, weil sie keine andere Option mehr gesehen haben und vor der Bestrafung. Glaub mir: Die Gefängnisse hier sind die Hölle! Und diese Leute sehen im Fernsehen ein Bild von einem Gefängnis in Deutschland..."
Henry lacht, er lacht oft und manchmal so sehr, dass er sich die Augen reibt und seine Stimme heiser klingt. Er sagt also mit vom Lachen gepresster Stimme: "Und weist du, was sie denken, wenn sie ein Bild von einem deutschen Gefängnis sehen? Amona, Amona! Sie denken: Ey, das sieht aus, wie bei mir zu Hause! Nichts in Deutschland kann also wirklich schlimm für mich sein. Ist das nicht traurig? Die Wohnungen der Leute hier sehen nicht gemütlicher aus, als ein deutsches Gefängnis!"
Und ich sage: "Und vor diesen Wohnungen läuft beim nächsten Regen das gutter über..."
Henry quiekt fast vor Lachen und klopft mir auf die Schulter: "Yes! Uh Amona! Let's go to a clean german prison!"

Dienstag, 23. September 2008

"'Affe im Anzug!' riefen sie hinter mir her."

berichtet Ralph bei dem Workshop "Reintegration as potential for development cooperations" vom Goethe Institut. Ralph steht vor den etwa 30 TeilnehmerInnen des Workshops und erzählt von seiner Studienzeit in Leipzig. Er ist rhetorisch gewandt, charismatisch und, wie er schmunzelnd selbst von sich sagt, latent aggressiv, weil er eines von 12 Kinder sei, die sein Vater mit 3 Frauen hatte. Da hätte er lernen müssen um das zu kämpfen, was er wollte. "Ich sagte zu mir: Ihr nennt mich Affe im Anzug, obwohl ihr ausseht wie rosa Schweinchen?" Ralph lacht kurz und die Zuhörenden mit ihm. Dann spricht er im energischen Ton weiter, spricht von den Projekten, die er neben seiner Dozenten Tätigkeit an einer Uni in Kumasi koordiniert, von den Unterstützungen, die deutsche Organisationen, Unternehmen und die Regierung zugesagt hätten, davon, dass diese häufig nicht wahr gemacht werden, davon sich jeden Tag wieder neu zu motivieren.
David erzählt, dass er, als er nach Berlin kam dachte, er würde nach ein paar Jahren nach Ghana zurück wollen. Nach einem Jahr und nachdem er in der Bahn von Neonazis zusammengeschlagen wurde wusste er, dass er nach Ghana zurück musste. Er wollte sofort zurück. Aber Freunde - ein Libanese und ein Ghanaer - fragten ihn: "Was wirst du von Deutschland erzählen, wenn du jetzt fährst?“ Und: „Hast du erreicht, weswegen du hierher gekommen bist?" Daraufhin blieb er, kehrte später, wie ursprünglich geplant zurück. "Heute kann ich sagen, was ich an Deutschland mag. Ich danke meinen Freunden dafür!" Sagt er.
Viele Leute erzählen an diesem Vormittag von ihrem Studium in Deutschland und wie schwierig es für sie war einen Job in Ghana zu bekommen, der halbwegs damit zu tun hatte, was sie gelernt hatten und gern machen wollten. Sie ermunterten sich gegenseitig, sich nicht frustrieren zu lassen, beklagten, dass die ghanaische Regierung keine Migrationspolitik betreibe - damit meinen sie vor allem RE-Migration und Re-Integration. Der Brain Gain (Die Zuwanderung/Rückkehr im Ausland gut ausgebildeter Leute) übersteigt deutlich den Brain Drain (Verlust von Fachkräften) - oder würde es, wenn alle Potenziale genutzt würden. Da sind sich alle einig.
Zu Gast sind auch zwei Leute von der GTZ (dt. Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, Regierungsorganisation!). In ihrer Präsentation herrschen Worte vor wie Analyse, Kompetenz, Effizienz, Evaluation. Ihr Film zeigt weiße Herren in Hemd mit Krawatte, Edding und Notizblöcken, Asiaten mit bunten Bauhelmen und Afrikanerinnen mit neuen Nähmaschinen. Es fallen Worte wie Erfahrung, Vertrauen, Partnerschaft, Zuverlässigkeit.
Die GTZ-Leute stellen Zahlen vor, die zeigen sollen, dass die meisten Beschäftigten bei der GTZ "locals" sind, sie werben für Prgramme, die eine Ausbildung in Deutschland oder England ermöglichen. Howard meldet sich und merkt an, er hätte in Deutschland studiert und sich dann bei einer deutschen Entwicklungshilfeorganisation in Ghana beworben. Er wäre abgelehnt worden mit der Begründung, er sei überqualifiziert. "Warum“, fragt er "schickt ihr Leute zur Ausbildung nach Deutschland, wenn ihr sie selbst nicht einstellt?" Die Antwort des GTZ-Mannes: "Wir haben nicht so oft neue Stellen zu besetzen, weil wir uns um kontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse bemühen. Wir denken daran, dass unsere Fahrer Familien zu versorgen haben. Darum behalten wir lange dieselben Leute. Vielleicht war das der Grund."
Jemand aus den Reihen der Workshopteilnehmenden ruft: " Aber er hat sich doch mit seiner Qualifikation nicht auf eine Fahrerstelle beworben!" Keine Reaktion von den GTZ-Menschen - vielleicht war der Zwischenruf nicht zu hören.
Ich melde mich und stelle auch eine Frage: "Wenn die GTZ eine deutsche Organisation ist und Deutsche im Ausland beschäftigt, die nach deutschen Maßstäben bezahlt werden plus 'Gefahrenzuschlag', warum gelten dann für den sog. 'local stuff' nicht das deutsche Arbeitsrecht und nicht die deutschen Tarife?"
Der GTZ-Mann sagt, dass Löhne individuell seien und immer persönlich verhandelt würden. Die Höhe des Gehaltes sei eine Frage, wie sehr man eine bestimmte Person wegen ihrer individuellen Ausbildung haben wolle und wie viel die Person für den Job aufgebe. Seine Frau z.B. hätte ihren gutbezahlten Job in Deutschland aufgegeben, um mit ihm hierher zu kommen. So etwas müsse das Gehalt ausgleichen. Was gibt jemand im Verhältnis dazu auf, wenn er schon vor Ort lebe? Und dann fragt der gute GTZ-Mann mich noch grinsend, ob ich mir vorstellen könne, dass man einen Job auch wegen eines Ideals mache und nicht immer alle Leute ans Geld denken.
Ja, denke ich, das habe ich mir vorstellen können - früher irgendwann mal. Es war wohl noch zur selben Zeit, als ich noch nicht wusste, dass gut und gut gemeint Gegensätze sein können.
Und ich frage mich, warum ausschließlich die Fahrer mit den geringen Löhnen viele gute Ideale brauchen, um für die GTZ arbeiten zu können.

Freitag, 12. September 2008

"New Town, straight! New Town, straight!"

...ruft der Trotro-Boz und mir steigt das Adrenalin bis auf Scheitelhoehe. Das Abenteuer kann beginnen!
Unsere aufmerksamen Leserinnen und Leser werden schon vor Wochen gemerkt haben, dass das Trotrofahren von Anfang an unsere Aufmerksamkeit gefesselt hat. Inzwischen kennen wir die wichtigsten Strecken, finden auch die richtigen Minibusse zu entlegenen Zielen, sind schon mit offener Ruecktuer gefahren (siehe Foto), koennen meist passend zahlen und waren mit Kisten unterwegs, die zur Raeumung des Gebaeudes fuehren wuerden, wenn man damit auf den Hof einer deutschen TÜV-Stelle kaeme. Kurz: Wie jedes neue Hobby ist auch das Trotrofahren alltaeglich geworden (wir sehen jeden Tag vier bis sechs Trotros von Innen) und hat etwas an Spannung verloren.
Doch letzte Woche haben wir etwas neues entdeckt. Im Berufsverkehr hoerte ich zum ersten Mal einen Trotroboz "Medina straight" rufen. Ich wollte Ramona von der Uni in Legon, was kurz vor meidina liegt, abholen und so dachte ich mir "straight- eine Direktverbindung. Sehr gut!" und stieg ein. Was ich daraufhin erlebte war mehr als nur die versprochene schnelle Fahrt. Erlaubt mir etwas Werbung:
  • Wollen Sie die Staus auf den Hauptstrassen waehrend des Berufsverkehrs umfahren? Fahren Sie "straight"!
  • Wollen Sie abenteuerliche Seitenstrassen und Feldwege kennenlernen? Fahren Sie "straight"!
  • Wollen Sie an lebhaften Diskussionen der Fahrgaeste ueber die oiptimale Abkuerzung teilnehmen? Fahren Sie "straight"!
  • Wollen Sie einen totalen Fahranfaenger als Trotrofahrer erleben, der beim Abbiegen auch mal im Gegenverkehr rauskommt? Fahren Sie "straight"!
  • Wollen Sie auch bei innerstaedtischen Fahrten mal einen Abkuerzung durch den Wald ausprobieren- Fahren Sie "straight"!
  • Wollten Sie schon immer mal die "2nd Mango Tree Avenue" kennenlernen? Fahren Sie "straight"! (Hey, geile Idee eigentlich, beliebte Strassennamen mehrfach zu vergeben und einfach durchzunummerieren. Wer wuerde sich in der "4. Ernst-Thaelmann-Strasse" in Chemnitz nicht wohlfuehlen?)

Trotos, die "straight" fahren, sind nie teuer als dioe herkoemmlichen, die den festen und bekannten Routen folgen- aber sie sind schneller und abenteuerlicher. Doch wie bei jeder neuen Extremsportart findes sich auch beim "straight"-Fahren ein Weg, den Kick noch zu steigern: "straight"-Fahren nach Einbruch der Dunkelheit. In einer Stadt, die kaum Strassenbeleuchtung hat, erscheint die Frage, ob man sich noch im Hauptstadtgebiet oder schon in den Waeldern der Volta-Region befindet, nicht abwegig, wenn wieder mal minutenlang kein Haus im Licht der Scheinwerfer (sofern der Fahrer sie denn an hat) erscheint.

Doch wie man nicht mal auf kleinen Fluessen ohne Rettungsweste paddeln sollte und man besser nicht ohne Seil klettern, geht auch die Extremsportart "straight"-Trotofahren nicht ohne Absicherung: Genug Geld fuer eine Taxifahrt fuer den Notfall haben wir immer einstecken.

Wie die Rattenfaenger von Hameln

...kommen wir uns vor, als wir durch den kleinen Ort Senya Beraku (siehe Foto "Strandausflug") gehen und uns einen Gruppe von fuenf Kindern auf Schritt und Tritt folgt. Die Strasse fuehrt aus dem Dorf heraus, eine Senke hinab, dort stehen keien Haeuser mehr. Dann wieder einen Huegel hinauf. @Hinter dem Huegel liegt der Ort Fetteh@ sagt uns euner der Jungen. Christian meint, wir sollten nicht weitergehen, nicht aus Senza heraus, solange die Kinder dabei sind, wenn die Leute hier denken, wir wuerden sie mitnehmen wollen. Wir kehren also um, zurueck richtung Ortsmitte- die Kinder hinterher- unter den misstrauischen Blicken einiger Leute, denen wir begegnen.
Einige Minuten zuvor hatten drei Frauen aufgebracht schimpfend und mit den Armen fuchtelnd auf die Kinder eingeredet, die uns auf unserem Spaziergang begleiteten. "Sie sagen, wir sollen euch nicht unsere Namen geben, dann wuerden die Weissen uns mitnehmen!" uebersetzt uns der zwoelfjaehrige Isaac. Er hatte uns angesprochen weil er, wie er sagt, gern mit Leuten aus Europa redet. Er stellte uns Fragen nach Deutschland, in welcher Zeitzone es liege, in welchen Monaten der Schnee falle und ob es Naturkatasptrophen gebe. Dann bat er uns um Zettel und Stift, um uns etwas ueber Senya aufzuschreiben, was wir den Leuten in Deutschland erzaehlen sollten. Doch dann waren die Frauen gekommen und wir beschlossen, dass Isaac den Zettel wegschmeissen sollte.
Wir sind entsetzt ueber die Vorwuerfe, von dem Gedanken daran, ob so etwas wirklich passiere und bitten Isaac zu vermitteln, dass wir sicher niemanden mitnehmen wollen. Die Frauen ziehen weiter aber gluecklich scheinen sie nicht zu sein- wir auch nicht. Isaac meint, so etwas sei noch nicht passiert und er wisse nicht, wie die Frauen darauf gekommen seien. Wir denken an den Fall im Tschad, in dem MitarbeiterInnen einer franzoesischen Hilfsorganisation versucht hatten, eine Gruppe angeblicher Waisenkinder, die keine waren, nach Europa zu bringen.
Am liebsten ware uns, die Kinder wuerden gehen. Wir wollen uns bloss umsehen, versuchen mit den Fischern ueber Artikel, die wir ueber das Fischen vor der ghanaischen Kuestein der Zeitung gelesen hatten. Stattdessen aber versuchen wir nun Isaac und den aufdringlich Geld fordernden Joshua zu erklaeren, dass wir nicht einfach jedem, der uns fragt, Geld geben koennen und das ein paar Cedi auch niemandem langfristig helfen wuerden. Wir seieh hier, um uns zu unterhalten und dann den Leuten in Deutschland von Ghana zu erzaehlen, damit sich grundlegen etwas aendern kann. Das ist natuerlich fuerchterlich abstrakt und wenig zufrieden stellend. Und so hoert Joshua auch nicht auf, nach Geld zu fragen. und tischt uns eine herzzerreissende Story nach der naechsten auf, bei der er sich in offensichtliche Widersprueche verstrickt. Isaac scheint zu ahnen, was wir meinen oder zumindestens hinzunehmen, was wir sagen.
Die Atmosphaere ist drueckend, schwer fuehlen wir die Blicke mancher Leute und angenehmer wird alles auch nicht unbedingt dadurch, dass aus Anlass einer Beerdigung die Autos wild bis an den Rand der Kontrollierbarkeit, hupend und mit johlenden Leuten auf den Daechern durch die wenigen Strassen des Ortes rasen.
So machen wir uns mit gemischten Gefuehlen auf den Rueckweg ins 40km entfernte Accra. Wir haben den Samstagmittag in diesem Ort fuer einige durcheinandergebracht aber (natuerlich) nicht das Bild der Dorfgemeinschaft von Weissen veraendern koennen.
Dafuer war der Erfolg unserer kleinen Tuetenrevolution, den wir am Abend in Dzorwulu verzeichnen konnten, umso erfreulicher:
Die Eigentuemerin unseres Stamm-Supermarktes verkuendet in einem emotionalem Ausbruch, nachdem wir wieder einmal die angebotenen Plastiktueten ablehnen uns unseren Leinenbeutel befuellen lassen, dass diese Plastiktueten schrecklich seien und man sie frueher auch nicht gebraucht haette. Sie werde nun, wenn die Leute nur eine Kleinigkeit kaufen, sagen, dass sie das so tragen koennen. Der Unsinn mit dem vielen Plastik, der die Umwelt verschmutzt, solle sich aendern.
Vielleicht veraendern es doch etwas, manche Dinge einfach anders zu machen als die Meisten, zu beweisen, dass etwas praktisch moeglich ist- ganz konkret und alltagsnah.

Mittwoch, 10. September 2008

Alle Tiere, die auf dem Campus gefangen wurden,

werden versteigert! Insbesondere handele es sich um Schafe und Ziegen. Alle inetressierten Personen seien eingeladen, verkuendet ein offizieller Aushang der Universitaetsverwaltung am Hoersaalgebaeude.
Statt alten Fahrraedern wie auf dem Goettinger Campus, gibt es eben Kleinvieh fuer den Hausgebrauch. Fahrraeder sind hier im Allgemeinen selten in Benutzung.
Die 25000 Studierenden der University of Ghana kommen mit dem eigenen Auto, dem Taxi, im Trotro natuerlich oder wohnen in einem Doppelzimmer in einem der Wohnheime auf und um den Campus., der 1948 gegruendeten Uni in Legon (12 km noerdlich von Accras Zentrum). Der Campus ist ein ruhiger, entspannter, sauberer Ort mit viel Gruen. Die Daecher der Gebaeude sind im japanischen Stil geschwungen und aus roten Ziegeln, die Fensterrahmen sind dunkel und die Waende frisch weiss gestrichen - was von bemerkenswert aufwendiger Pflege zeugt, denn aufgrund der Luftfeuchtigkeit und Hitze schimmeln und verfaerben sich Waende schnell. Alles in allem wirkt die Uni, ihre von Palmen gesaeumten Wege und schlichten Gebaeude sehr einladend - welch angenehmer, ja erfreulicher Anblick nach der Beinah-Genwoehung an die abgewrackten Bausuenden der Goettinger Uni.
Von African Studies und Agriculture ueber Modern Languages, Philosophy und Psychology bis Zoology werden hier zahlreiche Faecher gelehrt und gelernt. Neben Wohnheimen, den Fakultaeten mit den Bueros und den Vorlesungssaelen gibt es auf dem Campus einige Moeglichkeiten zum Essen, ein Gesundheitszentrum, eine Post, Bankautomaten, Internetcafes, Bibliotheken und einen Buchladen.
Die Menschen sind in der Regel entspannt und freundlich, hilfsbereit, zurueckhaltend, aber besorgt, ich koennte zu weit abseits sitzen in der Vorlesung um an den Diskussionen teilzunehmen.
Der Anteil an Frauen und Maennern scheint recht ausgeglichen (wobei es unter den Dozierenden einen Ueberhang zum maenlichen Geschlecht gibt), die meisten der Studierenden sind GhanaerInnen, aber etliche kommen auch aus Nigeria, Angola, Benin, Togo und der Elfenbeinkueste, aus Grossbritanien, den USA, den Niederlanden und Deutschland findet man auch ein paar. So wird in den Lehrveranstaltungen durchweg, aber auch sehr haeufig untereinander auf dem Campus Englisch gesprochen.
Eine Vorstellung ueber die sozialen Schichten, deren die Studierenden wahrscheinlich zu einem grossen Teil angehoeren, entsteht, wenn man sich die wahnsinnig hohen Studiengebuehren ansieht, die gezahlt werden muessen (die genaue Zahl kann ich leider gerade nicht nennen, da die Homepage der Uni jedes Mal den Rechner, von dem aus man sie aufrufen moechte, lahmlegt so vierenverseucht sie ist).
Nachdem wir die ersten 2 1/2 Wochen im 3 Tagestakt fuer jeweils ebenso viele Saetze mit einem Prof, der die Beine ueber die Stuhllehne gehaengt mir von seiner Freundschaft zu einer Goettinger Professorin und deren Mann erzaehlt und mich fragt, ob ich wisse, wann denn eigentlich die Vorlesungen beginen wuerden (er waere nach den Ferien noch nicht up to date), zum Campus gefahren sind, kann ich nun an zwei Vorlesungen teilnehmen. In der einen zu den "Traditional ghanaian social Institutions" sitzen etwa 250 Personen. Die zweite beschaeftigt sich mit "Political Sociology" und wird von etwa 20 Leuten besucht, was kritische Nachfragen seitens der Studierenden ud Diskussionen besser ermoeglicht - mittlerweile ist wohl auch der Prof up to date und haelt die Vorlesung.
Ich empfinde die Atmosphaere an der Uni als angenehm friedlich - besonders jetzt, da ich mich nicht mehr vor der Angriffslust und den harten Schaedeldecken der Schafe fuerchten muss (da haben mich einige Vorfaelle traumatisiert).

Fotos II

1. Austreibung eines guten Geistes in Jamestown



2. Trotrofahrt mit offener Hintertuer



3. Strandausflug

4. In der Fischersiedlung Jamestown



Eintraege zu den Bildern folgen demnaechst.

Dienstag, 9. September 2008

"Stammtischzicke"

...steht auf dem Shirt, das er trägt. Es nahm wahrscheinlich seinen Weg aus einem deutschen H&M, über einen Frauenoberkörper, in einen Altkleidercontainer und tauchte in den Gassen vor dem Makola-Market in Accra bei einem Händler auf, der seine Waren auf eine Mauer hängt. Für wenige Cedis hat er es dort wohl gekauft und weiß mit einiger Sicherheit nicht, was das Wort auf seinem Shirt bedeutet.

Die selbsternannte Stammtischzicke dachte, einem afrikanischen Mädchen eine Freude machen zu können mit dieser Spende. Was sie nicht ahnte: Diese gespendeten Kleider werden hier nicht verschenkt. Sie werden verkauft- an jeder Ecke rund um die Märkte können wir es sehen. Diese Kleider kosten ein paar Cedis- zu viel, wenn man von einem Cedi am Tag lebt, zu wenig, als dass die lokale Textilindustrie mithalten könnte.

Zum Glück gibt es doch viele Personen mit Weltgerechtigkeitsempfinden- nur haben ihre Spenden oft gegenteilige Effekte. Europa hat viel, Afrika hat wenig. Also verschiffen wir etwas von den Ersteren zu den Letzteren- das tut Europa nicht weh und macht Afrika glücklich.
Die G8 versprechen 2007 in Heiligendamm Millionen für die Bekämpfung von Malaria, Tuberkulose und HIV in Afrika. Begrüßenswert! Kurzfristig: Ja, keine Frage! Langfristig: Nein. Afrikanische PatientInnen werden immer am europäischen Tropf hängen, wenn Roche das Patent auf das Malariamedikament Lariam besitzt. Der Konzern verdient an den Versprechen der G8 –falls sie eingelöst werden- und die afrikanische Pharmaindustrie darf keine Generika (das sind gleichwertige Nachahmerprodukte) herstellen. Dafür wurde auf demselben G8-Gipfel gesorgt (siehe dazu: www2.gruene-jugend.de/uploads/g8_spunk.pdf Artikel über die Afrikapolitik der G8).
Drehte die deutsche Regierung den Hahn zu, wenn sie die Good Gouvernance in Gefahr sehe? Das träfe dann aber nicht die Regierung Ghanas, sondern die Zivilbevölkerung. Afrikanische Regierungen werden von europäischen mit Hilfen belohnt, wenn sie nach ihrem Verständnis “gut regieren”- sich selbst zu versorgen hat niemand lernen dürfen und können. Natürlich ist es anerkennenswürdig, wenn europäische Regierungen Gelder zur Verfügung stellen, die beispielsweise in das Gesundheits- oder Bildungssystem investiert werden sollen. Doch denke bitte niemand, dass diese afrikanischen Despoten dann nicht auf die Idee kommen, es nicht mehr für nötig zu halten, selbst in diesen Bereichen Geld auszugeben. Also bauen sie von ihrem eigenen Geld lieber ihre Paläste und Armeen aus. Weniger Staatliche Subventionen in den afrikanischen Ländern findet die Weltbank und IWF (Internationaler Währungsfond) außerdem klasse: Die setzen nämlich auf die Förderung der Wirtschaftlichkeit, um den Staatshaushalt zu sanieren. Dazu muss ordentlich privatisiert werden. Nur leider gibt es hier keine privaten Unternehmen, die aktiv werden können. Dafür gibt es ja die Kirchen und Stiftungen, die Gesellschaften und Vereine in Europa.
Was haben wir am Ende dieser Kette? Hervorragend bezahlte Jobs für EuropärInnen, Almosen für AfrikanerInnen. Wer soll da in Afrika selbstbestimmt handeln?
Wer bestimmt eigentlich, wo wem mit wie viel geholfen wird. Das Geld, das im bundesdeutschen Haushalt für Entwicklungshilfe, Krisenprävention vorgesehen ist, wandert lange. Es beginnt seinen Weg in den Ministerien: BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) oder AA (Auswärtiges Amt). Von dort wird es weiter verteilt: DED (Deutscher Entwicklungsdienst), GTZ (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit), EED (Evangelischer Entwicklungsdienst) und die politischen Stiftungen. Von dort aus wird es vor Ort an lokale Projekte verteilt. Wie viel welche politische Stiftung bekommt, hängt von der Anzahl der Sitze der jeweiligen Parteien im Bundestag zusammen. D.h., die Art der unterstützen Projekte hängt mittelbar mit der Meinung des deutschen Volkes zusammen. Das kann für Afrika gut sein, muss aber nicht. Wer kann nicht nachvollziehen, dass Deutsche erst an ihre eigenen Wirtschaft denken und dann an die afrikanische und wer sagt, dass die Stiftungen nicht auch so denken? Der Verwaltungsapparat verschlingt Unmengen des Geldes, das ursprünglich bereitgestellt wurde und die Leute, die hier vor Ort für die verschiedenen Institutionen arbeiten- und da meinen wir die deutschen EntwicklungshelferInnen und nicht die ghanaischen MitarbeiterInnen- verdienen weit mehr, als man für ein Otto-Normal-Leben hier und in Deutschland braucht. Das sind keine altruistischen Gutmenschen! Man sieht sie du Dutzenden auf den Straßen und in den Bussen Accras.
Einer dieser Menschen schwärmt für Afrika, arbeitet in der H.S./Stiftung in Accra, sitzt gemeinsam mit uns Sonntag beim Frühstück und spricht davon, dass manche Menschen hier “kein Bildungsniveau” hätten. Solche Aussagen missachten, dass es in einer außereuropäischen Gesellschaft Wissensbestände gibt, die durch soziale Institutionen vermittelt werden, die sich vom deutschen Bildungskonzept unterscheiden und sich mit deutscher Prüfungs- und Abfragemethodik nicht messen lassen. Dass dies im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaft, steht außer Frage und soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

2005. Ich bin gerade mit der Schule fertig und meine, die Welt retten zu müssen. Nicht damit, dass ich mein Abi-T-Shirt “Ein Drama in 13 Akten” nach Afrika schicke, sondern ich steige selbst in ein Flugzeug nach Nairobi. Mein Weltrettungsversuch beginnt und endet damit, dass ich einem dürren Mädchen in Barkorwa ein paar Kekse in die hand drücke. Wenige Minuten später bin ich von 50 bettelnden Kindern umringt. Unverständnis und Streit bricht aus: Ich habe auch Hunger! Warum sie und nicht ich? Und morgen?
In den folgenden Wochen merke ich, dass ich für mein persönliches Heldentum jemanden einen Arbeitsplatz nehme, wenn ich in der Schulbibliothek Bücher einschlage.
In den folgenden drei Jahren lernen ich, was Globalisierung theoretisch ist, ich erfahre von der WTO (World Trade Organization) und dem patentrecht, lese Texte über Schutzzölle und importierte Produkte.
Zum Büchereinschlagen war ich sowieso zu ungeschickt und mein Englisch ist zu schlecht, als dass ich hätte den SchülerInnen in Kenia etwas Neues beibringen können. Also habe ich viel mit den Leuten gequatscht über Religion, Geschlechterrollen, Vorstellungen von Europa, kenianische Geschichte. Und ich habe gelernt, wie man Wasser aus einem Brunnen schöpft, Feuer im Ofen entfacht, Ugali zubereitet und wie lange es dauert für eine E-Mail 40km auf einer Schotterpiste in die nächste Stadt zu fahren.
Ich habe gemerkt, wie vielschichtig die alltäglichen und außergewöhnlichen Prozesse sind: Wer könnte behaupten, sie komplett zu durchschauen. Sie funktionieren zuverlässig und nachhaltig! Wer könnte sich der Illusion ergeben, etwas verändern zu können. Natürlich ist es leichter zu sagen, was alles schlecht läuft, als sich weit aus dem Fenster zu lehnen und einen Änderungsantrag an die Welt zu stellen.

Doch wenn mich jemand fragt, dann habe ich ein paar Stichworte, über die wir diskutieren können: Ernährungssouveränität, Patentrechtsreform, Schutzzölle, Ende der Agrarsubventionen in den OECD-Staaten und einen fairen Welthandel, der auf reflektiertem Konsum der EndverbraucherInnen basiert.
J. J. Rawlings, ehemaliger Präsident Ghanas, kommentierte den G8-Gipfel 2005 und die beschlossenen Hilfen für afrikanische Länder in einem Artikel: ”I would also have preferred to see some discussions on fair trade, rather than aid to create substainable development.”
Ich bin nicht gänzlich gegen jede Hilfe. Mein tiefster Respekt gebührt denjenigen, die in Krisenregionen lebensrettende Maßnahmen leisten wie den MitarbeiterInnen des Roten Kreuzes und von “Ärzte ohne Grenzen”.
Der Wissenstransfer ist wichtig und sollte von Studierenden und ArbeitnehmerInnen getragen werden. Interkulturelle Begegnungen sind wichtig, damit Vorurteile abgebaut werden. Ganz grob umrissen gibt es zwei Ebenen, auf denen Veränderungen initiiert werden müssen: Staatliche und zivilgesellschaftliche. Staaten müssen aufhören, inkoheränt zu handeln und Rahmenbedingungen schaffen, damit wirtschaftliche AkteurInnen es auch nicht können. In der Zivilgesellschaft muss ein Bewusstsein für globale Zusammenhänge entstehen und praktischen Niederschlag in jeder Handlung finden.

Wenn mich jemand fragt, ob ich in Ghana gewesen bin, weil ich Entwicklungshelferin bin, dann sage ich: “Wenn Du meinst, dass ich helfen möchte, den Stammtischzicken, dem Frauenfußball Stramme Mädels e.V. und www.leckeresseninkleinkleckersdorf.de eine Bewusstsein von global-politischen Zusammenhängen zu entwickeln. Ja, dann nenne ich mich Entwicklungshelferin.” Dafür gehe ich in Ghana 8 Wochen zur Uni und versuche, mit Leuten zu sprechen. Ich versuche, gegen die Ungerechtigkeiten anzulernen, sie nieder zu schreiben und kaputt zu diskutieren.

Freitag, 5. September 2008

"Ich hab die beiden da auf der Strasse aufgegabelt...

...ich wollte dier hier mal abgeben!" Waehrend Pius das sagt, deutet er auf uns und schliesst sein kurzes charaktersitisches Lachen an. Uns in der deutschen Botschaft abgeben. Na gut. Wir hatten Pius auf der trasse vor seinem Haus getroffen, in dem er uns seine Frau heidi ein paar Gaestezimmer vermieten, von denen wir eines gemietet haben. Wir kamen gerade von unserer ersten Erkundung der Uni in Legon, als er uns in seinem Gelaendewagen entegegn kam und uns fragte, ob wir ihn zur deutschen Botschaft begleiten wollten, um Heidi vond er Arebit abzuholen. Wir steigen ein - neugierig, wie eine deutsche Botschaft von innen aussehe, ob wir den Schnauzermann (wie Christian den Botschafter in Anerkennung seines uppigen Bartwuchses nennt) treffen wuerden und hoffend, wir haetten nie einen ernsthaften Grund die Botschaft aufsuchen zu muessen. Den Schauzermann haben wir nicht getroffen und konnten daher nicht die Information, dass er berechtigt sei nach deutschem recht Eheschliessungen zu vollziehen, verifizieren. Dafuer aber entdeckten wir im Empfangsraum der Botschaft ein Buch ueber 250 angeblich typisch deutsche Errungenschaften, das mit bunten bildern und kurzen texten den Hamburger Hafen, die Dresdner Frauenkirche, Weisswurst, Ulrich Wickert, Steffi Graf, Vivil etc. vorstellt. Bevor wir bei der Botschaft ankommen, amcht Pius noch einige Zwischenstopps bei verschiedenen Leuten um ein paar Dinge zu klaeren. Wir betrachten interessiert fuer uns weider neue Ecken Accras und geniessen den zwar staubigen und stinkenden, aber kuehlenden Fahrtwind - so lange wir nciht im Stau stecken bleiben.
Ob in diesen permanent bis an den Rand der Hoffnungslosigkeit vollgestopften Strassen ein staatlich oder zu mindest irgendwie offiziell und zentral koordinierter oeffentlicher Personennahverkehr realisierbar waere? Bei den Massen an menschen, die befoerdert werden, scheint uns dies kaum vorstellbar: Die Busse muessten im 2-Minten-Takt fahren, sie wurden ab einer gewissen groesse niht mehr durch viele der engen Gassen passen. Ein offiziell organisiertes System waere unter dem Sicherheitsspekt bestimmt sinnvoll. Aber sonst... Fahrten waeren sicherlich teurer als sie Trotro-Fahrten. Damit sich das offizielle System also etablieren koennte, muessten die Verkehrskontrollen die Trotros aus dem verkehr ziehen (ganz offensichtlich werden sie zur Zeit nciht kontrolliert - uns es gebe einiges zu bemaengel: Manche sind in einem Zustand, dass es niemand wundern wuerde, wenn sie keine Tueren haetten). Doch dann koentten immens viele Menschen es sich nciht mehr leisten sich befoerdern zu lassen. Am Ende unseres Gedankenspiels bricht eine grose Kluft in der Gesellschaft zwischen einer mobilen und einer wirtschaftlich wie soziokulturell abgehaengten immobilen Klasse auf und ein Grossteil des alltaeglichen Lebens Accras kommt zum Erliegen.
Ob es wirklich so waere, wissen wir nicht. Aber wir sehen, dass diese Stadt an vielen Stellen so ganz anders funktioiert, als eine europaeische Stadt, so dass europaeische Loesungen sicherlich nicht immer agebracht sind. So sind theoretisch z.B. deutsche und ghanaische Strassenverkehrordnung nahezu identisch. Praktisch ist die Auslegung in Ghana jedoch...sagen wir: den Umstaenden entsprechend flexibel.
Die Leute haben keine andere Option, als dieses System der Fortbewegung. Es funktioniert, aber es ist dennoch muehsam und nervenaufreibend: Fuer kurze Strecken braucht man eine halbe Ewigkeit, Stunden am Tag verbringen die Leute damit im Stau zu stehen, zu warten, unterwegs zu sein. Ein ghanaischer Freund aus Goettingen sagt uns, dass die Regierung es verpasst haette auf das rasante Wachstum der Stadt zu reagiere und duerften die anderen landesteile nciht so verachlaessigen, so dass sich nciht alle Menschen gezwungen sehen nach Accra zu ziehen, wenn sie nicht auf dem Land fernab vieler technischer Errungenschaften versauern wollten.
Auf dem Rueckweg von der Botschaft sind wir wie erleichtert, das Gedankenexperimet einfach beenden zu koennen und freuen uns ueber das bunte Treiben auf den Strassen Accras. Wir stoppen an einer roten Ampel und sogelich zieht eine Kolonne von Frauen und Maennern zwischen den wartenden Autoreihen hindurch und es werden Wasser in PLastiktuetchen, Bananen, Waescheklammern, Zeitungen, das Putzen der Windschutzscheibe und diverse weitere Waren angeboten, die die Menschen auf ihren Koepfen transportieren. "Dabi, dabi. No, thank you, my dear!" Sagt Heidi durchs offene Fenster. Dann springt die Ampel auf Gruen, wir fahren an und 100 Meter vorwaerts, dann stehen wir im Stau. "No, thank you. I dom't need any toieltpaper at the moment!"

Dienstag, 2. September 2008

Die Welt, in der man leben moechte...

Am vergangeen Sonntag Mittag machen wir uns von Dzorwulu, wo wir wohnen, auf Richtung Kueste (Accra liegt ja direkt am Atlantik, genauer: am Golf von Guniea). An diesem Tag scheinen uns die Stadt und die Menschen wie verwandelt, dieser Ort der Hektik und Unuebersichtlichkeit, des Gedraengeld und Geschrei, ist wie ueber Nacht ein anderer geworden: Auf den Strassen kein Stau, kaum Gehupe, die Strassenraender (Gehwege gibt es zum groessten Teil ja nicht) nur wenige VerkaeuferInnen, die mit ihren Waren den Weg vollstellen, kein Gewimmel von eilenden Menschenmassen. Wir sehen stattdessen lachende Menschen gekleidet in bunten, traditionellen Stoffen, Plastikstuehle an den Strasseraendern, auf denen Menschen zur Ruhe kommen. Vor dem einen Haus versammel sich Muslime, 50 m daneben stehen Leute mit Bibeln in der Hand, Frauen mit locker sitzenden Kopftuechern schreiten durch die Gassen und kleine Gruppen von bunt gekleiodeten Maennern tragen grosse Trommeln. Riesige Boxen sind vor manchen Laeden aufgestellt, Musikkassetten leiern ihr froehliches Sindsang, ein Mann mit Besen in der Hand tanzt, eine Frau drewht sich mit einem Kind zur Musik. Wir steigen am Circle aus. Ohne, dass uns jemand latent agressiv etwas verkaufen will, ueberqueren wir den Circle und warten auf das naechste Trotro, das uns zur Kueste bringen soll. Ein Mann spricht uns an - auf deutsch. Wir quatschen eine Weile: Er hat eine kurze Zeit in Deutschland gelebt. Hat in Frankfurt und Berlin gearbeitet. Warum er nun wieder und schon nach kurzer Zeit wieder in Accra ist, mag er uns nicht erzaehlen. Er freue sich immer, wenn er Deutsche treffe, damit er deutsch sprechen kann - zu viel habe er schon wieder verlernt. Er fragt, ob wir eine deutsche Zeitschrift dabei haetten, die wir nicht mehr braechten, die wir ihm geben koennten, damit er ueben kann. Haben wir leider nicht. Aber Christian verspricht unsere alte ZEIT in den naechsten Tagen vorbeizubringen. Ja ja, das so was haben ihn zwei Deutsche scho mal versprochen - und sind nie gekommen. Christian wiederholt sein versprechen. Na gut, meint er, er sei ja sowieso jeden Tag hier, weil er hier an der Takstelle arbeite. Wenn wir wirklich mit der Zeitung kommen sollte, wuerden wir ihn hier finden [heute Morgen hat Christian die ZEIT in den Rucksack gesteckt und wenn es eine Gelegenheit auf dem Weg zum Goethe-Institut geben wird oder nach der Arbeit, wird er sie ihm bringen]. Schliesslioch gibt er uns Tipps fuer die Weiterfahrt und sett uns in das richtige Trotro. Die Frauen im Trotro motzen den "Mate" an, als er nicht gleic versteht wohin wir wollen und uns zu frueh rausschmeissen will und eine von ihnen weist uns draufhin, dass wir bloss etwas sagen sollen, wenn er auf die Idee kommen sollte uns zu wenig Wechselgeld zu geben - tut er aber nicht...das wollte bisher noch niemand. Als wir schliesslich aussteigen wollen, fragt eine andere Frau nach, ob es wirklich ok sei und wir sicher seien, dass wir unseren Weg fiden wuerden. Wir finden unseren Weg und spazieren an der Kueste entlang Richtung Westen zu einem ehemelagen Fort, das nun als Gefaengnis dient (und daher eher weniger eine Touriattraktion ist, wie im Reisefuehrer steht...) und zu einem alten Leuchturm (auch leider eher unspektakulaer aus touristischer Sicht).
Hier leben die Fischer der Stadt. Im Wasser schwimmen ihre Pirogen. Bis zum Meer hinunter kommen wir aber nicht, weil zwischen Strasse und Strand zunaechst das Gefaengnis liegt, dann eine schlammige, intensivst nach Fisch "duftende" Siedlung aus Holz- und Blechhuetten, durch deren enge Gaesschen wir uns nicht trauen und dann ein Muellberg, auf dem zerzauste Schafe und abgemagerte Hunde ihr Unwesen treiben. ...und in dem Wege- und Hausergewirr im Gebiet dahinter haben die "Strassen" keine Namen mehr auf unserem Stadtplan und vielleicht auc niemals gehabt... also drehen wir wieder um. Auf der anderen Seite der Strasse haben sich Leute zu Essen und Musik versammelt auf bunten PLastikstuehlen, Jugendliche spielen Fussball und die kleinen Kinder - etdecken uns! "How are you! How aere you! How are you!" Brabbelnd und kichernd haengen sie an unsren Haenden, laufen vor nd hinter uns, grinsen und fassn uns an. Wir gehen langsam weiter - gefolgt und umringt von der neugierigen Kinderschar. Obwohl sie permanent von alteren Kindern und Erwachsen agemotzt und verscheucht werden, folgen sie uns trotzem de gesamten Weg zurueck bis zur Inenstadt. Sie lachen und zupfen einbsschen an uns herum. Und obwohl bei ihrem Gezupfe das Kleingeld in meiner Hosentasche klimpert, interessieren sie sich nur fuer meine Haende, die sie unablaessig druecken und streicheln, sie freuen sich, wenn wir ihre Grimassen erwiedern und auf ihr "How are you", dessen Bedeutung sie scheinbar ueberhaupt nicht verstehen, in irgendeiner Form reagieren.
Wir sehen, dass dies wahrlich kein schoener Ort zum Leben ist, ahnen jeden Tag wieder, wie verdammt schwer die meisten Mneschen es hier haben und es stimmt mich traurig, wenn ich darueber nachdenke, dass es fuer kaum einen der etwa 250 Studierende, die mit mir in dem Hoersall an der Uni sitzen, einen angemessenen Job in Ghana geben wird. Und ebenso traurig, wie ich bin, bin ich auch beeindruckt, dass diese Leute, trotz dieser duesteren Aussichten, zur Uni gehen, hoffen, (noch) nicht aufgegeben haben. Und so sehr man verzweifeln kann bei dem Anblick der verseuchten Kueste und den schaebigen Huettcen, haben wir in den Augen dieser kleinen, frechen Kinder gesehen, wies ehr die Menschen hire zur Freude faehig sind.
Ich moechte nichts verklaren!
Afrikansiche Staaten sind ganz sicher nicht der Ort, an dem man (gut) leben kann. Aber wir sollten die Gruende, wegen derer die Menschen hier leben moechten nicht uebersehen! Gemeinsam sollten und muessen wir das moeglich machen!