Dienstag, 26. August 2008

Im Hotelzimmer II

Wir wussten, dass wir in eines der aermeren Laender der Welt reisen, in dem die Menschen mit Hunger, Armut und Krankheit zu kaempfen haben (dazu spaeter Konkreteres). Auch hatten wir im Reisefuehrer gelesen, dass die EinwohnerInnen dieses Landes "die freundlichsten Menschen der Welt" seien (so wie es auch in den Reisefuehern von Schottland, Mecklenburg, Suedafrika und Griechenland steht). Nach kurzer Recherche hatten wir auch erfahren, dass Ghanas Grossstaedte zwar ein Muellproblem haben, aber alles in allem der Staat aufstrebende Wirtschaft hat und die Kriminalitaet hier ziemlich niedrig ist. Hunger, Aids und Armut sind hier wesentlich weniger verbreitet als z.B. in einigen westafrikanischen Staaten und Buergerkriege kennt Ghana auch keine. So ist es Traumziel aller EntwicklungshelferInnen- nicht weil Hilfe hier am noetigsten waere, sondern weil man hier weitesgehend unbelaestigt von verhungernden Kindern und Maschinengewehren Brunnen graben kann.
Genau das alles hat aber Ghana fuer uns interessant gemacht. Es zeigt, dass es in Afrika mehr gibt als in einem dreiminuetigen Tagesschaubeitrag ueber einen Diktator passt und mehr als in den Tierbuechern Brehms und den spaeten Bildbaenden Riefenstahls zu finden ist. Wir sind nicht nach Ghana zu fahren, um das komplett "fremde" hier zu bestaunen. Wir wollen sehen, wie sich Globalisierung auswirkt. Was als unklare Vorstellung, zumindestens bei mir Christian, begann, formiert sich schon nach der ersten Woche zu klaren Fragen: Wo tauchen eigentlich die ganzen alten PC-Monitore wieder auf, die wir in Deutschland aller zwei Jahre gegen neue austauschen. Warum haben so viele Trotros hier Aufschriften wie "Heizungsbau Werner, Baden-Baden" oder "Fliesen-Harry, Berlin-Spandau"? wie geht eine scheinbar unkontyrolliert rasant wachsenden Stadt wie Accra mit ihrem Muellproblem um? Dazu und zu vielen anderen Fragen wollen wir fuer uns moegliche Antworten sammeln und als geschriebenes und fotografiertes Bild mit nach Hause bringen. Und genau dafuer muessen wir hinsehen. Wir muessen uns ueberall umschauen und nach den Monaten hier nicht nur "die weissen Straende, das schoene Hotel und die lustigen Giraffen" loben zu koennen. Doch kann dieses genaue Hinsehen schnell in Voyerismus umschlagen und um das zu verhindern, braucht es Taktgefuehl, Mitgefuehl und Feingefuehl. Jeder Ghanaer und jede Ghanaerin sieht uns sofort an, dass wir fuer ihre Massstaeben "reich" sind und das wir weder auf dem Markt noch im Trotro sein muessten, weil wir auch in Restaurants essen und Taxifahren koennten. Wir sind "fehl am Platz" und koennen es nicht verbergen. Wir fallen immer auf, wir haben einfach eine andere Hautfarbe als 99% der Menschen um uns. Sie wissen, dass wir ihr "schicksal" im Guten wie im Schlechten nicht teilen muessen. Aber wir interessieren uns dafuer und fuer die europaeisch-nordamerikanische Rolle darin, die wir durch unser Leben in Deutschland bestimmen. Ich glaube nicht daran, dass Konzerne und Regierungen in Europa per se "boese" sind aber ich glaube, dass jede/r Einzelne mit seiner Lebensweise, mit ihrer Wahlentscheidung aber vor allem mit dem entsprechendem Konsumverhalten weitreichende Verantwortung uebernehmen muss. Und wofuer, das schauen wir uns in Ghana exemplarisch an. Es gibt zu unserer Art zu reisen fuer uns keine Alternative. Das Alltagsleben der Menschen teilen zu wollen waere mit Auslandskrankenversicherung, Travellerschecks fuer den Notfall und Rueckflugticket nicht mehr als pervers inszenierter Abenteuerurlaub. Wegzusehen wuerde uns in Richtung derer ruecken, die im Urlaub ihre Hotelanlange nur fuer eine Safari verlassen. Beides waere unehrlich.
Goennen wir lieber dem Hotelbesitzer und dem Kellner seinen Verdienst und sorgen wir so auch dafuer, dass wir beide ohne Durchfall und ausgeschlafen Antworten auf unsere Fragen im stressigen Chaos Kumasis oder Accras suchen koennen- damit ist hoffentlich allen am meisten geholfen.

6 Kommentare:

annelen hat gesagt…

Wahnsinnig,krass,unglaublich, ungerecht, faszinierend, ich werde wütend, traurig und noch mehr.
Beeindruckte grüße Annelen

PS: Passt auf euch auf ihr Lieben!

Unknown hat gesagt…

Schöne Beschreibung eurer Gedankengänge, gute Worte gefunden! Aber Vorsicht, dass man nicht alle anderen verurteilt, wenn man auf der Suche nach dem für einen selbst besten Weg ist, nich wahr? Alles Gute weiterhin! Dagmar

Unknown hat gesagt…

Ich muss sagen, ich werde weder wütend, traurig oder "noch mehr", denn es ist und bleibt für uns ein Reisebericht. Einer von vielen, einer, der auch auf ARD, RTL oder Kabel 1 hätte laufen können. Einer, der gut und eindrücklich erzählt, wie es in Ghana mit europäischen Augen aussieht. Ein weiterer, der kritisch unseren Konsum hinterfragt, aber im Endefekt doch irgendwie ratlos bleibt. Einer, den wir nur deswegen ernster nehmen, weil es jemand schreibt, den wir kennen?

Man möge mich nicht falsch verstehen, doch ist das nicht auch ein wenig pervers, dass man andere Menschen demnach abspricht, dass sie die Wahrheit sagen? Oder ihnen schlicht weg und einfach das Recht auf Wahrheit abspricht? (Wenn wir es mal übertrieben darstellen!)
Wer hier von wahnsinng, krass, ungerecht und noch so viel spricht, macht den Eindruck, dass man außer das Netto an der Ecke noch nicht viel von der "großen weiten Welt voller Unheil" gesehen hat. Die Welt ist grausam da draußen - und dagegen muss was getan werden, keine Frage. Aber von Mitleid kann sich kein Ghanese, kein Chinese oder keine Deutscher etwas kaufen!

Ich war ja nun selbst schon eine Weile im Ausland unterwegs - auch wenn das in keinem Fall zu vergleichen ist. Ich finde den Blog gut, sehr gut sogar - es ist anschaulich und braucht eigentlich keine Bilder. Doch die Bilder, die drauf sind, sind genau die, die man vor seinem Auge beim lesen hat. Ich find ihn perfekt geschrieben, doch warne ich vor Doppelmoral. Denn seid ihr beide nicht auch welche von diesen Entwicklungshelfern (ohne Innen ;-)), die sich ein einfaches Land rausgesucht haben? Seid ihr nicht somit auch das, was ihr erklärend in Schutz nehmt, aber doch irgendwie anprangert?

Mit wie immer kritischen, aber dennoch beeindruckten Grüßen (und auch irgendwie froh darüber, dass ihr so "feige" seit - denn Sicherheit geht vor, egal worum es geht ;-))

S-t-e-f-a-n-!

Kollektiv Ghana hat gesagt…

Hallo Leute!
Da ich jetzt im Goethe-Institut einen PC mit Internetzugang gefunden habe, kann ich mal direkt antworten. Zuerst wollte ich euch fuer die ganzen Kommentare danken. Nur verstehe ich eine Sache nicht. Wen verurteilen wir denn? Und wo? Zu den Kommentare gegen EntwicklungshelferInnen stehe ich vollkommen, was sie tuen halte ich fuer nicht zielfuehrend. Es gab vor einigen Monaten mal einen guten Artikel bei spiegel-online im dem beschrieben war, was mit dem lokalen Bevoelkerungsstruktur passiert, wenn man mal eben so einen Brunnen in die Steppe graebt. Man schafft sich durch seine Hilfe unmengen von Hilfsbeduerftigen. Leider ist die Internetverbindung hier zu lahm, um den Artikel wieder zu finden. Ich werde es spaeter noch einmal probieren. Noch schlimmer ist die sogenannte politische Entwicklungshilfe, wie sie von manchen Parteistiftungen durchgefuehrt wird. Sie greift teilweise in die Selbstbestimmung der Leute ein. Auch verspreche ich/wir, noch mal mehr zur Entwicklungshilfe zu sagen. Oder meint ihr etwas anderes, ueber das wir vorschnell urteilen?

Stefan, bezueglich des ratlos Bleibens: da hast Du recht. Im Moment sind wir eher noch dabei, einen Befund aufzunehmen. Hier wird nicht die Weltverbesserungsanleitung stehen koennen-leider nicht. Aber unser Anspruch ist auch erst einmal, zu informieren und zu kommentieren.

Sooo, mehr schreiben wir spaeter. Zum einen, weil das ein gemeinsamer Blog von uns beiden ist und ich daher nicht nur meine Einzelmeinung da stehen haben will und zum anderen, weil hier eine deutsche Tastatur vor mir liegt, der PC aber denkt, es sei eine englische. Und das nervt kollosal.

Liebe Gruesse!

Christian

Kollektiv Ghana hat gesagt…

...und ich wollte gern auch noch mal annelen verteidugen, lieber stefan: annelen kennt ganz sicher emhr als den netto nebenan und tut eine ganze menge fuer die verbeesserung der niedersaechsischen welt! .....konntest du ja nicht wissen ;)
und ich vermute auch, dass sie niemanden das recht auf wahrheit absprechen moechte, sondern, dass sie zum ausdruck bringen wollte, dass sie nicht kalt laesst was sie liest und hoert: egal ob von uns, ihren freundInnen oder einem unbekannten ard-menschen :)

Unknown hat gesagt…

... und ich wollte nicht falsch verstanden werden. also zu mindest nicht so, dass ich hier jemanden persönlich hätte ankacken wollen ;-)

ich wollte einfach mal meine kritischen gedanken aufschreiben :-)

mehr hab ich im moment auch nicht zu sagen...