Dienstag, 23. September 2008

"'Affe im Anzug!' riefen sie hinter mir her."

berichtet Ralph bei dem Workshop "Reintegration as potential for development cooperations" vom Goethe Institut. Ralph steht vor den etwa 30 TeilnehmerInnen des Workshops und erzählt von seiner Studienzeit in Leipzig. Er ist rhetorisch gewandt, charismatisch und, wie er schmunzelnd selbst von sich sagt, latent aggressiv, weil er eines von 12 Kinder sei, die sein Vater mit 3 Frauen hatte. Da hätte er lernen müssen um das zu kämpfen, was er wollte. "Ich sagte zu mir: Ihr nennt mich Affe im Anzug, obwohl ihr ausseht wie rosa Schweinchen?" Ralph lacht kurz und die Zuhörenden mit ihm. Dann spricht er im energischen Ton weiter, spricht von den Projekten, die er neben seiner Dozenten Tätigkeit an einer Uni in Kumasi koordiniert, von den Unterstützungen, die deutsche Organisationen, Unternehmen und die Regierung zugesagt hätten, davon, dass diese häufig nicht wahr gemacht werden, davon sich jeden Tag wieder neu zu motivieren.
David erzählt, dass er, als er nach Berlin kam dachte, er würde nach ein paar Jahren nach Ghana zurück wollen. Nach einem Jahr und nachdem er in der Bahn von Neonazis zusammengeschlagen wurde wusste er, dass er nach Ghana zurück musste. Er wollte sofort zurück. Aber Freunde - ein Libanese und ein Ghanaer - fragten ihn: "Was wirst du von Deutschland erzählen, wenn du jetzt fährst?“ Und: „Hast du erreicht, weswegen du hierher gekommen bist?" Daraufhin blieb er, kehrte später, wie ursprünglich geplant zurück. "Heute kann ich sagen, was ich an Deutschland mag. Ich danke meinen Freunden dafür!" Sagt er.
Viele Leute erzählen an diesem Vormittag von ihrem Studium in Deutschland und wie schwierig es für sie war einen Job in Ghana zu bekommen, der halbwegs damit zu tun hatte, was sie gelernt hatten und gern machen wollten. Sie ermunterten sich gegenseitig, sich nicht frustrieren zu lassen, beklagten, dass die ghanaische Regierung keine Migrationspolitik betreibe - damit meinen sie vor allem RE-Migration und Re-Integration. Der Brain Gain (Die Zuwanderung/Rückkehr im Ausland gut ausgebildeter Leute) übersteigt deutlich den Brain Drain (Verlust von Fachkräften) - oder würde es, wenn alle Potenziale genutzt würden. Da sind sich alle einig.
Zu Gast sind auch zwei Leute von der GTZ (dt. Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, Regierungsorganisation!). In ihrer Präsentation herrschen Worte vor wie Analyse, Kompetenz, Effizienz, Evaluation. Ihr Film zeigt weiße Herren in Hemd mit Krawatte, Edding und Notizblöcken, Asiaten mit bunten Bauhelmen und Afrikanerinnen mit neuen Nähmaschinen. Es fallen Worte wie Erfahrung, Vertrauen, Partnerschaft, Zuverlässigkeit.
Die GTZ-Leute stellen Zahlen vor, die zeigen sollen, dass die meisten Beschäftigten bei der GTZ "locals" sind, sie werben für Prgramme, die eine Ausbildung in Deutschland oder England ermöglichen. Howard meldet sich und merkt an, er hätte in Deutschland studiert und sich dann bei einer deutschen Entwicklungshilfeorganisation in Ghana beworben. Er wäre abgelehnt worden mit der Begründung, er sei überqualifiziert. "Warum“, fragt er "schickt ihr Leute zur Ausbildung nach Deutschland, wenn ihr sie selbst nicht einstellt?" Die Antwort des GTZ-Mannes: "Wir haben nicht so oft neue Stellen zu besetzen, weil wir uns um kontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse bemühen. Wir denken daran, dass unsere Fahrer Familien zu versorgen haben. Darum behalten wir lange dieselben Leute. Vielleicht war das der Grund."
Jemand aus den Reihen der Workshopteilnehmenden ruft: " Aber er hat sich doch mit seiner Qualifikation nicht auf eine Fahrerstelle beworben!" Keine Reaktion von den GTZ-Menschen - vielleicht war der Zwischenruf nicht zu hören.
Ich melde mich und stelle auch eine Frage: "Wenn die GTZ eine deutsche Organisation ist und Deutsche im Ausland beschäftigt, die nach deutschen Maßstäben bezahlt werden plus 'Gefahrenzuschlag', warum gelten dann für den sog. 'local stuff' nicht das deutsche Arbeitsrecht und nicht die deutschen Tarife?"
Der GTZ-Mann sagt, dass Löhne individuell seien und immer persönlich verhandelt würden. Die Höhe des Gehaltes sei eine Frage, wie sehr man eine bestimmte Person wegen ihrer individuellen Ausbildung haben wolle und wie viel die Person für den Job aufgebe. Seine Frau z.B. hätte ihren gutbezahlten Job in Deutschland aufgegeben, um mit ihm hierher zu kommen. So etwas müsse das Gehalt ausgleichen. Was gibt jemand im Verhältnis dazu auf, wenn er schon vor Ort lebe? Und dann fragt der gute GTZ-Mann mich noch grinsend, ob ich mir vorstellen könne, dass man einen Job auch wegen eines Ideals mache und nicht immer alle Leute ans Geld denken.
Ja, denke ich, das habe ich mir vorstellen können - früher irgendwann mal. Es war wohl noch zur selben Zeit, als ich noch nicht wusste, dass gut und gut gemeint Gegensätze sein können.
Und ich frage mich, warum ausschließlich die Fahrer mit den geringen Löhnen viele gute Ideale brauchen, um für die GTZ arbeiten zu können.

1 Kommentar:

Christina hat gesagt…

Hallo Christian! Toller Bericht - und ganz schön schockierend. Diese Arroganz und die Kluft der Gehälter habe ich im GI B.Aires auch erlebt, da konnte der Techniker nicht mit den anderen zu Mittag essen, weil er der einzige mit argentinischen Lohn war. Habe mal einen Radiobericht über ein Seminar für Rückkehrende Fachkräfte aus Bolivien gemacht, da waren alle noch unglaublich optimistisch und meine Vorannahme, dass sie sich als Studienabgänger aus Nicht-EU-Ländern mehr oder weniger abgeschoben fühlen hat sich nicht bestätigt. Um so interessanter, durch Deinen Bericht jetzt mal die andere Seite, die der Ankunft zu sehen.
Alles Gute Euch beiden noch in Accra, liebe Grüße aus wieder/noch-Göttingen-bald-Berlin
Christina